Preisträger

Unterricht innovativ
2023
2. Preis

„Deeper Learning – Wissenschaftsjournalismus und Fake News“

Christina Fischer mit Sebastian Bauer, Danilo Fries, Laura Henschker, Viktoria Seidel

Foto-Credit: Heraeus Bildungsstiftung

Projektbeschreibung

Die Rezeption aktueller gesellschaftlicher Probleme und globaler Krisen des 21. Jahrhunderts (Corona, Ukrainekrieg, Energiepolitik, Klimawandel, aufkeimender Nationalismus) wird durch digitale Medien und soziale Netzwerke problematisch verzerrt. „Fake News“ sind in aller Munde und auf jedermanns Smartphone, für Schülerinnen und Schüler sind Kompetenzen der Beurteilung und Bewertung von derartigen Beiträgen daher höchst relevant. In Forenbeiträgen in den sozialen Medien werden wissenschaftliche Fakten zudem zunehmend geleugnet, absichtlich vereinfacht und falsch dargestellt – auch, um damit teils antidemokratische Positionen, Interessen und Absichten argumentativ zu stützen und in ideologischen Echokammern zu mobilisieren.

Das Unterrichtsprojekt „Deeper Learning – Wissenschaftsjournalismus und Fake News“ des Lehrkräfte-Teams um Christina Fischer verfolgte das Ziel, Schülerinnen und Schüler (SuS) zu wissenschaftlich-kritischem Denken anzuleiten und anhand dessen zur souveränen Medienrezeption zu befähigen. Hierbei recherchierten diese intensiv zu gegenwärtig kontrovers diskutierten Themen wie Impfmüdigkeit und -nebenwirkungen oder der Energiewende. Entscheidend war dabei, dass sie Quellen mit gegensätzlichen Standpunkten zusammentrugen und diese nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten auswerteten. Die Vorgehensweise folgte dabei dem Deeper-Learning-Konzept.

Durch die Kooperation von fünf Lehrkräften in einer Klasse, die sieben unterschiedliche Fächer abdeckten, konnten die Schülergruppen ihr jeweiliges Thema aus vielfältigen Perspektiven erforschen und ein tiefes Verständnis entwickeln. Die innovative Herangehensweise des Lehrkräfte-Teams vermittelt den SuS nicht nur akademisches Wissen, sondern bereitete sie auch darauf vor, verantwortungsbewusste, mündige Bürgerinnen und Bürger in einer immer komplexeren Welt zu werden.

Phasenmodell des Deeper-Learning-Ansatzes
Phasenmodell des Deeper-Learning-Ansatzes

Damit einhergehende Lernziele waren u.a., dass die Schülerinnen und Schüler

  • unterscheiden können zwischen einer Einzelmeinung eines Wissenschaftlers/Experten und einer von der Mehrheit der Forschungsgemeinschaft anerkannten Theorie;
  • typische Logikfehler und Argumentationstricks erkennen können;
  • Grundprinzipien des Peer-Review-Prozesses kennen und die Qualität verschiedener Quellen beurteilen können, indem sie beispielsweise zwischen begutachteten wissenschaftlichen Artikeln, Vorveröffentlichungen (Pre-Prints), Berichten von Wissenschaftsjournalisten über Studienergebnisse in nichtwissenschaftlichen Zeitschriften sowie Blogbeiträgen von Laien unterscheiden.
Einführung in die wissenschaftliche Methode
Einführung in die wissenschaftliche Methode
Praxis der Wissenschaftsleugnung
Praxis der Wissenschaftsleugnung

Den Lehrkräften war es angesichts populistischer und antidemokratischer Entwicklungen ein Anliegen, im Rahmen des Unterrichts für die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens zu sensibilisieren. Dabei galt es im Zuge der Erkenntnisgewinnung, mithilfe von falsifizierbaren Hypothesen und experimenteller Beobachtung bzw. Überprüfung evidenzbasiert Ableitungen zu treffen und sich mit Kontrollmechanismen wie der „Peer Review“ vertraut zu machen – auch, um die Qualität von Forschungsergebnissen individuell einschätzen und sicherstellen zu können.

Neben den Grundlagen zur Erkenntnisgewinnung und -validierung wurden außerdem praxisorientierte Projektmanagementmethoden vermittelt, die sich insbesondere an agilen Arbeitsweisen und kollaborativen Lernmethoden orientierten und den SuS via Selbstorganisation die Verantwortung für den Lernprozess überließen (edu-Scrum, 6 Cs: Creativity, Collaboration, Communication, Caring, Choice & Critical Thinking).

Workshop-Auszug zur edu-Scrum-Methode
Workshop-Auszug zur edu-Scrum-Methode

Das Besondere

Die zentralen innovativen Elemente der Deeper-Learning-Methode sind die Freiheit der SuS bei der Auswahl ihres Lernprodukts („authentische Leistung“) sowie deren aktive Beteiligung am Prozess des Wissenserwerbs und der Anwendung („Ko-Konstruktion und Ko-Kreation“). Hierbei findet automatisch eine starke Aktivierung der SuS statt, eine lediglich passive Teilnahme am Unterricht ist nicht möglich, wodurch sich das hochrelevante Thema zeitgemäß erschließen ließ.

Erfahrungen und Ergebnisse

Die Relevanz von Wissenschaftskompetenz und der Erkennung von Fake News wird in Zukunft eher zu- als abnehmen. Es gibt neben dem vorliegenden Thema jedoch auch viele weitere, die sich für die Schülergruppen und den Deeper-Learning-Ansatz eignen würden. Das Konzept ist demnach anpassbar auf viele Schulfächer. Es könnten auch weniger Lehrkräfte beteiligt sein, allerdings sollte der fächerübergreifende Gedanke nicht verloren gehen und mindestens eine Naturwissenschaft dabei sein. Für die Unterstufe ist das Projekt nicht geeignet; empfohlen wird, es in den Jahrgangsstufen 9 bis 13 durchzuführen. Lang anhaltende positive Effekte lassen sich hinsichtlich der Recherche- und Bewertungskompetenzen der teilnehmenden SuS erhoffen, diese werden in der Schule in fast jedem Fach sowie insbesondere später im Berufsleben und zur Teilhabe an Politik und Gesellschaft benötigt.

Aus den Gutachten

„Herausragend in allem. Unglaubliche Relevanz mit hoffentlich großer Nachhaltigkeit, durch alltagsrelevante Problemstellung, die fächerübergreifend höchst kooperativ mit sehr akribisch ausgearbeitetem Material umgesetzt wird.“

Eckdaten

Schule: Humboldt-Gymnasium Vaterstetten
Bundesland: Bayern
Jahrgangsstufe: 10
Fächer: Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Geografie, Deutsch, Englisch