Projektbeschreibung
Das Projekt „Autofahren: Mensch vs. Maschine“ fragt danach, wie autonomes Fahren in der Zukunft gelingen kann. Hierzu entwickelte der Kurs ein Verständnis für die neurologischen Prozesse im menschlichen Nervensystem, die beim Lernen des Autofahrens eine Rolle spielen. Zudem erarbeiten die Schülerinnen und Schüler die mathematisch-technischen Grundlagen, die autonomes Fahren ermöglichen. Hierzu gehören Techniken der Bilderkennung und -verarbeitung sowie die Konstruktion und das Training neuronaler Netze. Das interdisziplinäre Projekt legte die Basis für das Verständnis weiterer zukunftsweisender technischer Innovationen vor dem Hintergrund der künstlichen Intelligenz.
Durch Innovationen wie künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Industrie 4.0, Data Science, neuronale Netze, autonomes Fahren oder Big Data wird sich die Lebens- und Berufswirklichkeit der Gesellschaft und insbesondere der Lernenden in den kommenden Jahren enorm verändern. Simone Bast und Ruth Wallerath wollten diese Entwicklung ins Klassenzimmer bringen und dabei möglichst nah an den Interessen der Schülerinnen und Schüler bleiben. Das Projekt begann mit einem Kick-off Meeting zu Beginn des Schuljahres für die Lernenden der Klassenstufe 12, dessen Aufgabe lautete: „Wählen Sie ein Themengebiet der künstlichen Intelligenz, das Sie besonders interessiert und erstellen Sie ein Präsentationsmedium Ihrer Wahl, mit dessen Hilfe Sie bei Lernenden und Lehrenden dafür werben, diesen Aspekt der künstlichen Intelligenz im Unterricht zu behandeln.“
Nach Interessen zusammengesetzte Kleingruppen erstellten Plakate/Flyer, um das von ihnen gewählte Themengebiet zu bewerben. Alle Lernenden und Lehrenden konnten sich über die Themengebiete informieren und einen Favoriten auswählen – die meisten Stimmen erhielt das autonome Fahren. Anschließend wurde das Projekt als Teil des regulären Unterrichts in die Fachdisziplinen integriert, deren Lehrplan das als Unterrichtsinhalt zulässt. Das Lern-Arrangement gliederte sich dabei in drei fächerübergreifende Lernsituationen, die jeweils Situationen im Straßenverkehr aufgreifen. In jeder Lernsituation fragten die Lernenden, wie der Mensch agieren würde und warum. Anschließend wurden die Erkenntnisse mit Hilfe mathematisch-technischer Werkzeuge auf das autonome Fahren übertragen.
In Bezug auf den Menschen knüpft die Lernsituation an das Fach Biologie an: Hier kann der Sehprozess auf der Ebene der neuronalen Informationsverarbeitung in der Netzhaut sowie die weitere Verarbeitung der Information im Gehirn erfasst werden. Dabei spielt die Wahrnehmung optischer Reize und deren selektive Verarbeitung in unterschiedlichen Hirnregionen eine entscheidende Rolle. Durch den thematischen Bezug zum autonomen Fahren haben Schülerinnen und Schüler eine praktische Vorstellung der Bedeutung dieses biologischen Themengebietes vor Augen und können ihr Wissen fächerübergreifend verknüpfen.
In Bezug auf die Maschine liegt das Hauptaugenmerk der Lernsituation auf dem Mathematik-Unterricht: Die Darstellung und Manipulation von Bildern mit Hilfe von Operationen auf Matrizen sowie die Grundlagen der Bildverarbeitung und Bildspeicherung werden betrachtet. Im Projekt wurden so Situationen im Straßenverkehr in Form von Pixelbildern vereinfacht dargestellt und die Lernenden erarbeiteten sich die Grundlagen der Bilderkennung, die für das autonome Fahren elementare Voraussetzung sind. Auch hier spielte die thematische Verknüpfung zu einem Thema, das die Schülerinnen und Schüler selbst ausgewählt haben, eine wichtige Rolle, denn so waren sie motiviert, die Rechen-Operationen zu verstehen und auf eine konkrete praktische Situation anzuwenden.
In den übrigen Lernsituationen des Projektes hatte die Schüleraktivierung und -orientierung ebenfalls eine wichtige Rolle, Lehrende und Lernende profitierten durch die fächerübergreifende Konzeption gleich in mehreren Fächern von der Idee.
Das Besondere
Das Besondere an dem Unterrichtskonzept von Simone Bast und Ruth Wallerath ist, dass das autonome Fahren als zu behandelnder Themenkomplex von den Lernenden selbst ausgewählt wurde. Das Projekt ist damit in höchstem Maße Schülerinnen- und Schüler-orientiert und widmet sich einem Thema, das die Lebens- und Berufswirklichkeit der Gesellschaft und insbesondere der Lernenden elementar verändern wird. Im Rahmen des Projektes bewegten sich alle Beteiligten (Lernende wie Lehrende) am Puls der Zeit. Diese Tatsache wurde von den Lernenden erkannt und hatte ein enormes Maß an Aktivierung und Motivierung zur Folge.
Darüber hinaus konnten die Schülerinnen und Schüler fächerübergreifend in Teams, projektbezogen, eigenverantwortlich und in gruppendynamischen Prozessen zusammenarbeiten. Dieses Szenario gestattet zudem, dass Lernende zu Lehrenden wurden, sie sich gegenseitig unterstützen konnten und auch auf dieser Ebene aktiviert wurden. Die Lernenden konnten so ihre Sozialkompetenz erweitern. Zudem wurde der Lerngegenstand aus der mathematischen und biologischen Perspektive beleuchtet, sodass für die Schülerinnen und Schüler selbst eine Vernetzung möglich wurde.
Erfahrungen und Ergebnisse
Die Erfahrung der Lehrkräfte zeigt, dass das Projekt individuelle Stärken sichtbar machte, beispielsweise als Schülerinnen und Schüler digitale Visualisierungen biologischer Prozesse in Erklärvideos darstellten. Sowohl das Interesse als auch die Motivation der Lernenden kann als sehr hoch eingestuft werden, da erworbene Kompetenzen des einen Fachs auf das andere Fach übertragen werden konnten. Das selbstverantwortliche Lernen und die Rückmeldung über Diagnosetools und Kompetenzraster, die eine Reflexion erforderten, erhöhten die Selbstwirksamkeit der Lernenden, wodurch sie sich in Zukunft besser neuen Herausforderungen und Projekten stellen können.
Das Projekt führte für die Schülerinnen und Schüler außerdem zu einer veränderten Wahrnehmung der Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz: Sie interessieren sich nun auch außerhalb des Unterrichtsgeschehens für technische Innovationen und wünschen sich die Behandlung dieser Innovationen im Rahmen des Unterrichts. Es wird deutlich, dass die Lernenden sich zum Teil in ihrer Freizeit sehr intensiv damit auseinandersetzen. Die Motivation, auch komplexeren Unterrichtsinhalten zu folgen, kann als wesentlich höher eingeschätzt werden als in vergleichbaren Situationen aus den vergangenen Jahren, da sich die Schülerinnen und Schüler dem Lerngegenstand über verschiedene Zugänge nähern und sie im Sinne der Partizipation aktiv Unterrichtsprozesse mitgestalten konnten. Auch Leistungsüberprüfungen fielen tendenziell besser aus als in den vorigen Jahren, da sich der beschriebene motivationale Aspekt positiv auswirkte.
Die Lernenden selbst bewerten zum einen die Aktualität des behandelten Themenkomplexes als außergewöhnlich. Zum anderen empfinden sie das Zusammenspiel der einzelnen Fachdisziplinen untereinander als gewinnbringend und spannend: „Für mich ist das Entdecken der Zusammenhänge zwischen den Themen der einzelnen Fächer sehr außergewöhnlich. Ich finde es spannend zu sehen, wie beispielsweise das Thema neuronale Netze sowohl in der Mathematik, Informatik und der Biologie einen gemeinsamen Bestandteil bildet, jedoch unterschiedliche Auffassungen hat.“
Aus den Gutachten
„Das Projekt weist ein hohes Maß an Schülerorientierung und Praxisbezug auf und lässt sich sehr gut auf neue Situationen übertragen. Es regt darüber hinaus zum kritischen Hinterfragen an.“
„Hier wurde künstliche Intelligenz an einer Berufsschule gut eingeführt und schülerorientiert umgesetzt, die Auseinandersetzung mit der Lernfortschrittsdiagnose (Learning App) überzeugt.“
„Das Projekt ist innovativ, stark an den Interessen der Schülerinnen und Schüler orientiert und gleichzeitig zukunftsorientiert und fächerübergreifend angelegt.“