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Anne-Christin Zeng beim ISTP in Washington D. C.

Auf Dienstreise nach Washington? Wir haben Anne-Christin Zeng, Lehrerin in Berlin und unsere amtierende Preisträgerin der Kategorie "Unterricht innovativ", nach Washington D. C. zum International Summit on the Teaching Profession (ISTP) geschickt.
Was genau diese Veranstaltung ist und wie diese Erfahrung für sie war, hat sie in einem kleinen Tagebuch festgehalten:

1. Tag

3 Tage, 23 Länder, über 250 Teilnehmende – und ein gemeinsames Ziel: Regierungen, Gewerkschaften & Lehrkräfte auf der ganzen Welt zusammenbringen, um durch Bildung, die den Bedürfnissen aller SuS gerecht wird, eine bessere Zukunft zu schaffen.

Der ISTP findet seit 2011 in immer anderen Ländern der Welt statt und formuliert seine Zielstellungen so:
#Educating for Global and Cultural Competence and Civic Engagement
#Elevating and Enhancing the Teaching Profession
#Leveraging Digital Technologies to Ensure Equitable Access and Enhanced Learning for All

Bevor es für mich aber in den intensiven Austausch geht, steht zunächst ein School Visit an einer Schule in Washington an. Ich besuche die „School Without Walls“, deren Konzept darin besteht, die Schule zu öffnen und die Stadt selbst als Klassenraum zu etablieren. Erfrischend anders!

Am Nachmittag wurde über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen des Lehrkräfteberufs reflektiert. Besonders beeindruckend: Alle am ISTP teilnehmenden Länder…
…kennen ähnliche Herausforderungen: Lehrkräftemangel, Bildungsrechtigkeit, KI und die bestmögliche Unterstützung der SuS und
… messen Themen wie mentaler Gesundheit und emotionaler Unterstützung für SuS und Lehrkräfte eine hohe Bedeutung bei.

Die Ausmaße dieser Problemfelder mögen in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt sein, jedoch haben alle Delegationen die Hoffnung und den Wunsch geäußert, in einen Dialog zu treten und vor allem auch voneinander zu lernen.

Mit diesem positiven und vielversprechenden Ausblick auf die folgenden zwei Tage des formellen und informellen Austauschs endete der erste Tag in Washington. Morgen wird dann First Lady Jill Biden beim ISTP dabei sein.

2. Tag

Highlight des Tages war ohne Zweifel im Anschluss der Fototermin der Delegationen mit der First Lady Dr. Jill Biden sowie ihre Rede vor den über 250 ISTP-Teilnehmenden. Die First Lady, selbst Lehrerin, zeigte die aktuellen Herausforderungen von Bildungssystemen auf und wür-digte die unermüdliche Arbeit von Lehrkräften weltweit. Sie schloss ihre Ansprache mit den ermutigenden Worten: „Remember that someone is a better thinker, someone is feeling a bit taller, someone is working harder, someone is a little kinder, someone has more courage – because of your work as a teacher.”

Die im Anschluss stattfindenden Summit Sessions zu den Themen „Elevating and enhancing the teaching profession“ sowie „Educating for global and cultural competence and civic en-gagement” waren so reichhaltig, dass ich deren Inhalte noch verarbeite. Hier ein kleiner Ein-blick:

  • Nahezu alle teilnehmenden Länder kämpfen mit dem Lehrkräftemangel. Australien berich-tete beispielweise, dass 50 % das Lehramtsstudium abbrechen und weitere 50 % bereits nach durchschnittlich fünf Jahren aus dem Job ausscheiden. Schweden rechnet in den nächsten zehn Jahren mit 30.000 fehlenden Lehrkräften.
  • Finnland ist eines der wenigen Länder, in dem das gesellschaftliche Ansehen des Lehr-kräfteberuf weiterhin extrem hoch und ein Studienplatz hart umkämpft ist: nur jeder achte Be-werber wird für den Studiengang akzeptiert! In den meisten der anderen Ländern schwindet die Attraktivität des Berufs zunehmend.
  • Kanada hebt die Notwendigkeit der professionellen Autonomie von Lehrkräften hervor, jedoch ohne dabei den Blick für notwendige Unterstützungssysteme in Bezug auf mentale Gesundheit, Fortbildungsangebote im Bereich der Digitalisierung und Reduzierung nicht-un-terrichtsbezogener Tätigkeiten von Lehrkräften zu verlieren.
  • Die Niederlande betont, dass es unabdingbar sei, die Perspektive von Lehrkräften bei allen schul- und bildungsbezogenen Themen anzuhören und in politische Entscheidungen ein-fließen zu lassen. Island unterstützt dies sehr anschaulich: „If we don’t speak to the grass roots, we get isolated.“
  • Litauen äußert sich zu der Notwendigkeit, dass neue, zeitgemäße Fächer dringend Eingang in die Curricula der Schulen finden müssen: Resilienz- und Stressbewältigung, kulturelle Kom-petenz und Bürgerengagement. Singapur ergänzt diesen Gedanken mit dem Hinweis darauf, dass wir uns gleichzeitig auch fragen sollten, welche Fächer und Inhalte im Gegenzug gege-benenfalls nicht mehr in die Lehrpläne gehören, um eine für Lehrkräfte nicht mehr leistbare Überfrachtung zu vermeiden.
  • Die Ukraine macht anhand der fatalen Situation im eigenen Land deutlich, dass Schulen und Universitäten sichere Orte bleiben müssen und wie gefährlich ein Brain Drain für ein Land werden kann.

Nach diesem intensiven Austausch fand der zweite Tag des ISTP 2023 seinen Ausklang mit einem Empfang in der Renwick Gallery of the Smithsonian American Art Museum, deren Hö-hepunkt der Auftritt des Jazz-Pianisten sowie Oscar- und Grammy-Preisträgers Herbie Han-cock – mit einem Gastauftritt Miguel Cardonas (U.S. Secretary of Education) an den Bongos – war.

 

Thorsten Timmerarens
Heraeus Bildungsstiftung
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Victoria Hildebrand
Deutscher Philologenverband
Tel. 0179 42 49 358
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